„Berlin im Jahre 1936“

Von Andreas Matschenz

1914 gründete Julius Fromm in einem Hinterhof in Prenzlauer Berg ein Geschäft für Parfümerie und Gummiwaren. Dort experimentierte er mit Naturkautschuk zur Herstellung hauchdünner, transparenter und v.a. nahtloser Präservative (die in vielfältiger Form schon seit der Antike nachweislich sind). Die erfolgreichen Versuche mit einer „Heißvulkanisierung“ führten 1916 zur Patentierung und Massenproduktion seines Markenkondoms „Fromms Act“, nunmehr in seiner Firma „Fromms Act Gummiwerke GmbH“.
 

Der Erste Weltkrieg ließ die Nachfrage geradezu explodieren und der „Fromms“ gehörte alltagssprachlich und körperlich zur Standardausstattung deutscher Soldaten. Der große Erfolg führte zu mehreren Produktionserweiterungen seiner Firma, erst in Friedrichshagen und später in Köpenick.
 

Nach 1933 versuchte sich Julius Fromm mit den neuen Machthabern zu arrangieren, was spätestens im Sommer 1936 mit einer antisemitischen Hetzkampagne im „Stürmer“ zunichtegemacht wurde (Aly und Sontheimer 2007: 89). Der Versuch, seine Firma noch gewinnbringend zu verkaufen, scheiterte ebenso und sie wurde 1938 im Zuge einer sogenannten Arisierung (ausgerechnet) an eine Patentante von Hermann Göring weit unter Wert zwangsverkauft (Aly und Sontheimer 2007: 94). Julius Fromm emigrierte 1938 nach London, wo er kurz nach Kriegsende verstarb. Seine Söhne konnten nach zähen und demütigenden Verhandlungen den Erben der Patentante Görings 1951 die Rechte am Markennamen abkaufen (Aly und Sontheimer 2007: 183). Die in Ostberlin gelegenen Produktionsstandorte Friedrichshagen und Köpenick wurden 1949 als „herrenlos“ verstaatlicht und in einen volkseigenen Betrieb (VEB) überführt; eine zweite Enteignung der Firma und Familie Fromm (und aus den „Fromms“ wurde nunmehr die Marke „Mondos“).

Der hier reproduzierte, 27 x 21 cm kleine Stadtplan auf feinem Seidenpapier lag in gefalteter Form der Verpackung eines „Fromms“ bei. Sicher fand auch er reißenden Absatz bei den Teilnehmer*innen der Olympiade in Berlin 1936. Der Plan als Teil einer geschickten Werbestrategie wurde als moderne Infografik gestaltet („gesetzlich geschützt“). Sie bot eine gut lesbare touristische Orientierung und präsentierte entlang des S- und U-Bahnnetzes sowie der Hauptstraßen in leuchtend grüner Farbe die Standorte olympischer Wettkämpfe nebst separatem Lageplan des „Reichssportfeldes“. Selbstverständlich unterlag auch dieser Plan einer staatlichen Zensur, hier nachweislich des „Propaganda-Ausschuss für die Olympischen Spiele“. Er dürfte indes eines der letzten bildlichen Dokumente der Firma noch unter der Geschäftsführung von Julius Fromm sein.

Weiterführende Literatur:
- Petra Kabus/Constanze Schröder: Erfindungen aus Berlin und Brandenburg, Berlin 2010
- Götz Aly/Michael Sontheimer: Fromms. Wie der jüdische Kondomfabrikant Julius F. unter die deutschen Räuber fiel, Frankfurt/M. 2007

 

Der Text stammt von Andreas Matschenz vom Landesarchiv Berlin. Wir bedanken uns herzlich für die Bereitstellung des Textes und die schöne und gleichzeitig mahnende Objektgeschichte.

 

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