Happy End im Hexenverhör

Von Mareike Rake

Bis zur Trennung von Staat und Kirche regierten die Landesherren ihre Kirche durch staatliche Kirchenbehörden, die Konsistorien. Hier wurden nicht nur die regelmäßigen Verwaltungsvorgänge, sondern auch besondere Geschehnisse aus einzelnen Kirchengemeinden in den Akten dokumentiert – nicht zuletzt Streit- und Rechtsfälle. 

So etwa der folgende Fall, über den in den Akten des Konsistoriums Hannover aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges zu lesen ist: 

Gegen Ende des Jahres 1644 suchte Pastor Franz Otto Bromberger Rat bei seinem Vorgesetzten, dem Superintendenten. In seiner Gemeinde in Barum, knapp 15 km südlich von Lüneburg gelegen, war das Gerücht aufgekommen, eine Bäuerin habe Totenköpfe in ihrem Hause. Ein gefährliches Gerücht. Denn der Vorwurf der Hexerei führte in den meisten Fällen zu einem Gerichtsprozess, der für die Beschuldigten nicht selten mit dem Tod endete. Auch der Superintendent ermutigte den Pastor, die Angelegenheit vor Gericht zu bringen. So musste die beschuldigte Bäuerin sich vor dem Amtsgericht in Medingen verantworten und in einem Hexenverhör einem Katalog von vierzehn Fragen Rede und Antwort stehen, u.a.:

Wer sie dazu veranlasst habe? Was sie mit den genannten Hirnschalstücken gewollt oder gemacht habe? Ob sie nicht einstmals etwas davon zu Pulver gebrannt und ihrer eigenen Tochter von dem pulverisierten Menschenhirn eingegeben habe, um damit abzutreiben?

Die tapferen Antworten der Bäuerin reichen hin, um den Tatbestand aufzuklären, und am Ende geht die Geschichte glücklicherweise gut aus. Die Bäuerin versichert, die ganze Sache habe lediglich damit ihren Anfang genommen, dass ein hergelaufener Knecht ihr einmal den Rat gegeben habe, gegen ihre Schwerhörigkeit „3 stuck von Menschen Hirnschädeln" mit Erde zu befüllen, in jedes Stück eine Bohne zu pflanzen und auf dem Kirchhof an die Sonne zu setzen, um später aus den gekeimten Bohnen den Saft auszupressen und sich in die Ohren zu schmieren. Sie habe sich daraufhin zwar menschliche Schädelknochen beschafft, es am Ende aber nicht über sich gebracht, diese tatsächlich in die Hand zu nehmen. Vielmehr habe sie sie mit dem Fuß unter einen Tisch im Speicher geschoben und dort liegengelassen. Viel später erst, nachdem sie und ihre Familie ihren Hof kriegsbedingt zwischenzeitlich hatten verlassen müssen, seien die Knochen dann entdeckt, in ihr Haus gebracht und dem Voigt gemeldet worden. Sie selbst habe die Knochen sogleich nach ihrer Rückkehr genommen und an den Ort zurückgebracht, woher sie sie genommen hatte. Niemals wäre ihr in den Sinn gekommen, etwas davon zu pulverisieren und ihrer Tochter oder sonst jemandem - sei es zum Schaden oder zum Vorteil - davon einzugeben.

Und so entschieden Kanzler und Räte in Celle am 1. März 1645:

Weill nun dieselbe bekandt, das Sie die Todtenknochen zur Artzney gebrauchen wollen, und Sie sonsten in Ihrem Leben, from undt Gottesfürchtig sich bezeiget, deßen auch einen guten Nahmen hatt, So entstehen wieder Dieselbe keine indicia oder bestendige Argwohn.
Landeskirchliches Archiv Hannover, A 1 Nr. 656

Weil die Beschuldigte überzeugend dargelegt habe, dass sie die vorgefundenen Knochen nur als Medizin hatte gebrauchen wollen, und weil sie ansonsten als fromme und gottesfürchtige Frau bekannt sei, solle jeder Verdacht gegen sie fallengelassen werden.  

Die wenigsten Hexenverhöre nahmen ein so glimpfliches Ende. Und in Niedersachsen landeten tatsächlich noch bis in die Nachkriegszeit Fälle vor Gericht, in denen Menschen der Hexerei bezichtigt wurden. Der letzte bekannt gewordene Hexenprozess wurde im Jahr 1951 in Lüneburg geführt. Zu einer Verurteilung kam es allerdings glücklicherweise auch hier nicht mehr.

 

Der Text stammt von Mareike Rake vom Landeskirchlichen Archiv der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers. Wir bedanken uns herzlich für die Bereitstellung des Textes und die schaurige Geschichte mit gutem Ausgang zum Thema Hexenverfolgung.

 

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