Ungewöhnliche Aktenbeilagen - Ein eiserner Schlüssel und der Holzsplitter einer Eingangstür

Von Klaus Rupprecht

Die Familie Muffel, erstmals 1286 erwähnt, gehört zu den ältesten und bekanntesten Patrizierfamilien der Reichsstadt Nürnberg. Wie die meisten "großen" Nürnberger Familien hatte sie ihren Besitz im Spätmittelalter (ca. 13. Jahrhundert bis ca. 1500) und in der Frühen Neuzeit (ca. beginnend 16. Jahrhundert bis ca. Ausgang 18. Jahrhundert) weit in das Nürnberger Umland hinaus ausgedehnt. Dazu gehörte auch Grundbesitz, der ihnen nur „geliehen“ war. Das waren sogenannte Lehen. Die Leihe (Belehnung) war mit der Verpflichtung verbunden, dem Eigentümer gegenüber bestimmte Leistungen zu erbringen. 

Als Marquard Muffel von Eschenau 1784 ohne Erben starb, endete seine Linie. Die Grundbesitzungen und die Abgaben, die der Fürstbischof von Bamberg zur Nutzung ihm und seiner Familie verliehen hatten, gingen nun an den Eigentümer zurück. Darunter befand sich auch Grundbesitz in Eckenhaid und Bullach (Landkreis Nürnberger Land) und Mittelrüsselbach (Landkreis Forchheim) sowie ein Haus auf dem Egidienhof in Nürnberg. 

Dieser Vorgang, also die Rückübertragung eines Rechts an den ursprünglichen Rechtsinhaber, wurde als Lehenheimfall bezeichnet und rief die fürstbischöflichen Beamten auf den Plan. Zu klären war, wie das Hochstift Bamberg, der Staat des Fürstbischofs, praktisch wieder in den Besitz seiner ausgegebenen Lehengüter kommen konnte und wie weiter damit verfahren werden sollte. 

Viele Schreiben wechselten zwischen dem Lehenhof – der zuständigen Behörde des Fürstbischofs – und der Reichsstadt Nürnberg hin und her. Nachweise über ältere Vorgänge wurden vorgelegt sowie auch ältere Verträge. Die Reichsstadt wollte belegt wissen, dass das Hochstift Bamberg das Recht hatte, Lehensbesitz einer ihrer Patrizierfamilien einzuziehen. 

Der entstehende Schriftverkehr wurde nach und nach in chronologischer Folge gesammelt und dann gebunden. Das erledigte die Lehenhofregistratur. Es entstand eine dicke Lehenhofakte. Das Besondere an dieser Akte ist aber, dass sich darin als Aktenbeilagen zwei verschlossene, versiegelte und beschriftete Umschläge befinden: In dem einen steckt ein eiserner Schlüssel, in dem anderen ein Holzspan von der Eingangstür des Nürnberger Anwesens. 

Die Überlieferung des Bamberger Lehenhofs ist mit knapp 6000 Archivalien sehr umfangreich. Dazu gehören zahlreiche Rückforderungsakten (Lehenheimfallsakten). Dennoch handelt es sich bei den Beigaben um eine Besonderheit. 

Schlüssel und Span als Aktenbeilagen verdeutlichen ganz konkret: neben allem notwendigen Schriftverkehr gehörten zur Rechtssicherung auch symbolische Handlungen. Handlungen, die schon aus dem Früh- und Hochmittelalter stammten. Vom Haupteingang des Hauses entnahm man, stellvertretend für das ganze Anwesen, Schlüssel und Türspan und gab diese an den neuen Besitzer. 

Der Akte selbst ist zu entnehmen, dass solche symbolischen Handlungen in der frühneuzeitlichen Rechtspraxis durchaus üblich ("bey dergleichen fällen gewöhnlich") waren. Nur auf die Aktenbeilage verzichtete man offenbar in aller Regel. 

Von Bamberger Seite war der Nürnberger Notar Johannes Wirth für die Inbesitznahme von Schlüssel und Span genauestens angewiesen worden. Er erhielt ein Schreiben vom offiziellen Vertreter des Fürstbischofs in Nürnberg, dem Bamberger Legationsrat Melchior Weber. Darin heißt es, der Notar solle im Haus ein Feuer anschüren, von der Haustür einen Holzspan abhauen und diesen samt dem Schlüssel übernehmen.

Pflichtgemäß berichtete der Notar dann nach Bamberg, dass, weil im Haus bereits ein Feuer brannte, dieses zunächst wieder gelöscht und neu angezündet wurde,

sodann der übergebene Hausschlüßel probirt und gerecht erfunden, hierauf auch an der Haustür ein Span ab- und solcher nebst dem Hausschlüßel von dem Herrn Requirenten zu sich genommen ...
Staatsarchiv Bamberg, Hochstift Bamberg, Lehenhof Nr. 4189

 

 

Der Text stammt von Klaus Rupprecht, Direktor des Staatsarchivs Bamberg. Wir bedanken uns herzlich für die Bereitstellung des Textes über die spannende Geschichte der symbolischen Aktenbeigaben.

 

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